Enthüllungsbuch: CIA-Agenten verkaufen Spionagetricks an die Wall Street (2024)

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Enthüllungsbuch: CIA-Agenten verkaufen Spionagetricks an die Wall Street (1)

Die CIA leidet an chronischer Personalnot. So ausgebrannt ist der US-Geheimdienst, dass er seit einiger Zeit sogar mit Comic-Broschüren nach neuen Agenten fischt ("CIA-Angestellte sind normale Menschen"). Im vergangenen Jahr schaltete der Geheimdienst Radiospots für frustrierte Wall-Street-Banker: "Wenn dir die Jagd nach Profit nicht länger genügt, bietet die CIA eine unvergleichliche Mission. Bewirke etwas, für deine Karriere und deine Nation!"

Karrierechancen gibt es wohl aber auch andersrum - von der CIA zur Wall Street.

Der Washington-Insider Eamon Javers enthüllt in einem Buch, dass Finanzkonzerne und Hedgefonds seit längerem auf Hilfe von Geheimdienstlern zurückgreifen, um Geschäftspartnern und Rivalen auf die Schliche zu kommen. "Broker, Trader, Lawyer, Spy - The Secret World of Corporate Espionage" heißt das Werk, auf Deutsch: "Broker, Händler, Anwalt, Spion - die geheime Welt der Unternehmensspionage". Es erscheint in der kommenden Woche in den USA und beschreibt im Detail, wie sich CIA-Agenten ein Zubrot verdienen, indem sie Wall-Street-Akteure beraten und ihnen Tricks des Spionagegewerbes verraten. Unter anderem, wie man am Verhalten eines Gesprächspartners erkennt, ob er die Wahrheit sagt, und sich so profitable Vorteile sichert.

"Mitten in zwei Kriegen und dem Kampf gegen al-Qaida bietet die CIA ihren Mitarbeitern die Gelegenheit, mit ihrer Fachkenntnis nebenher bei Privatunternehmen hausieren zu gehen", schreibt Javers. Die "nie zuvor enthüllten Methoden" böten "Finanzfirmen und Hedgefonds Zugang zum Top-Geheimdiensttalent der Nation".

CIA genehmigt Tätigkeiten "von Fall zu Fall"

Javers hat jahrelang für diverse US-Medien in Washington gearbeitet, unter anderem für "Business Week" und den Wirtschaftssender CNBC. Derzeit schreibt er für das Online-Magazin "Politico", das jetzt auch Auszüge aus dem Buch vorab veröffentlicht hat.

CIA-Sprecher George Little hat private "Nebentätigkeiten" von CIA-Mitarbeitern prinzipiell bestätigt - ohne sich dabei aber konkret auf die Wall Street zu beziehen. "Die Tatsache, dass die Leute die Energie und Kreativität haben, außerhalb ihrer Arbeitszeiten noch Geschäfte zu führen, sollte man ihnen nicht anlasten", sagte er. "Schließlich ist dies Amerika." Die CIA genehmige solche Jobs "von Fall zu Fall", stelle aber "rigoros" sicher, dass alles den "Maßstäben der Legalität, der Korrektheit und natürlich der Sicherheit" entspreche.

Wieso die Nebenjobs toleriert werden? Javers zitiert CIA-Insider damit, die Praxis sei ein "lebenswichtiges Hilfsmittel, um die Abwanderung von Talenten zu verhindern". Tatsächlich klagt die CIA seit langem, dass ihre besten Leute in die Wirtschaft wechseln - weil sie dort viel mehr verdienen können. So beträgt das Anfangsgehalt eines CIA-Analysten 49.861 Dollar. Die Deals mit der Wall Street bieten den CIA-Leuten die Chance, ihr Gehalt aufzustocken, ohne ihren Arbeitgeber verlassen zu müssen.

Zwar lässt der Vorabdruck noch manches offen, unter anderem wie viele CIA-Mitarbeiter von der Möglichkeit einer Wall-Street-Karriere Gebrauch gemacht haben und seit wann es die Praxis gibt. Für den Geheimdienst kommt die Enthüllung trotzdem zur Unzeit - nach dem missglückten Flugzeuganschlag am ersten Weihnachtstag, der die Sicherheitsbehörden wegen vieler übersehener Hinweise auf den Attentäter in die Kritik gebracht hat. Und auch die Wall Street kann über das Buch nicht glücklich sein, ist sie doch seit der Finanzkrise das Objekt des Volkszorns.

"Entdecke, was andere übersehen"

Als ein Beispiel für die konspirative Kooperation von Geheimdiensten und Wall Street führt Javers die Bostoner Finanzberatungsfirma Business Intelligence Advisors (BIA) an. "Der Name selbst wurde gewählt, um auf CIA anzuspielen", schreibt er. So viele Ex-Agenten stünden auf den BIA-Lohnlisten, dass die Firma Kunden gegenüber extra klarstelle, keine CIA-Tochter zu sein. Bei diesem Unternehmen gebe es seit langem "enge Kontakte zwischen aktiven und pensionierten CIA-Offizieren": "Die Verbindungen zwischen BIA und der Geheimdienstwelt reichen tief."

In der Tat rühmt sich BIA (Firmenslogan: "Entdecke, was andere übersehen") im Internet seiner "Mischung aus stark versierten Profis aus der nationalen Geheimdienst- und Wirtschaftsszene". Zu den Klienten der Firma zählen Goldman Sachs und SAC Capital, der Hedgefonds der Wall-Street-Legende Steven Cohen, der rund 16 Milliarden Dollar verwaltet. BIA-Sprecher Montieth Illingworth sagte zu den Vorwürfen allerdings, man beschäftige "seit einiger Zeit" keine CIA-Mitarbeiter mehr. "Es gibt kein aktives CIA-Personal bei BIA, das Klienten Dienste leistet." Alles in allem sei Javers' Darstellung des Unternehmens "unrichtig und irreführend", und man habe mit ihm "in keinster Weise" zusammengearbeitet.

"Das Subjekt hat keine Ahnung, dass es durchleuchtet wird"

Tatsächlich wird aber auch von BIA selbst eine beliebte Taktik beschrieben, die man sich offenbar bei der CIA abgeguckt hat und den Kunden angeboten wird: das sogenannte Tactical Behavior Assessment (TBA). Es handelt sich um eine Methode der "verbalen und nichtverbalen" Verhaltensanalyse, sprich: Gesprächspartner werden überprüft. Und zwar mit dem Ziel, sich "gegen Verzerrungen zu schützen, versteckte Risiken zu identifizieren, Zuversicht zu bilden und Investmenteinblicke zu gewinnen", teilt BIA mit.

Javers ergänzt: "Das Subjekt hat keine Ahnung, dass es durchleuchtet wird."

Solche "narrensichere Techniken" aus dem CIA-Arsenal habe BIA schon 2006 bei einer Präsentation für seinen Klienten SAC Capital detailliert erklärt, schreibt Javers. Zwei BIA-Vertreter seien "Frauen mit Geheimdiensterfahrung" gewesen. Eine habe 20 Jahre bei der CIA gearbeitet, wo sie sich auf Verhöre und Lügendetektoren spezialisiert habe.

Ein Beispiel, wie die Analysen ablaufen können, beschreibt Javers anhand des Internet- und Telekommunikationskonzerns UTStarcom. Als dieser in einer Konferenzschaltung mit Wall-Street-Bankern die Quartalszahlen bekanntgegeben habe, hätten BIA-Experten mitgehört, schreibt er. Sie hätten "jeden Tonfall analysiert", quasi als "menschliche Lügendetektoren", um "die volle Wahrheit über UTStarcoms Finanzen herauszufinden" und das an einen "riesigen Hedgefonds weiterzugeben". In einem vertraulichen Bericht habe BIA anschließend vor "Problemen bei der Umsatzerkennung" gewarnt - das habe man aus Stimmlage und dem Verhalten der Gesprächsteilnehmer herausgelesen. Die Warnung habe sich dann in der nächsten Quartalsbilanz bewahrheitet. Ein Fonds, der das vorab geahnt hätte, hätte mit dem Wissen "substantielle Gewinne" scheffeln können, schreibt Javers.

"Ich bin beunruhigt"

Die "New York Times" spottete angesichts solcher Enthüllungen: "Konzernmanager sollten es sich zweimal überlegen, bevor sie bei der nächsten Konferenzschaltung mit Analysten etwas sagen."

Auch US-Politiker haben sich eingeschaltet und sehen die Sache kritisch. "Ich bin beunruhigt", sagte die Demokratin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat. Sie beabsichtige, die Vorwürfe "zu hinterfragen". Auch der Schwesterausschuss im Abgeordnetenhaus will sich der Sache annehmen. Pete Hoekstra, Top-Republikaner in dem Gremium, sagte dem Magazin "National Review", er halte eine Untersuchung für "absolut angemessen". Er will Interessenkonflikte prüfen, zum Beispiel wenn ein CIA-Agent zugleich nebenher für den Rüstungskonzern Raytheon arbeite.

Fest steht, dass es auch Mitarbeitern anderer US-Geheimdienste nicht untersagt ist, sich parallel in der Privatwirtschaft zu engagieren. Die NSA und die DIA, die zwei Spionageämter des Verteidigungsministeriums, erlauben Nebentätigkeiten ebenso wie die Behörde des obersten US-Geheimdienstchefs Dennis Blair - solange es weder "sicherheitsrelevante oder juristische Probleme" noch Interessenkonflikte gibt.

Blair legte am Dienstag dem Senat seinen jährlichen Lagebericht vor. Flankiert von CIA-Chef Leon Panetta und FBI-Direktor Robert Mueller warnte er davor, dass für al-Qaida ein Anschlag auf die USA in den nächsten sechs Monaten eine "Top-Priorität" sei. Auch sei die US-Cybersicherheit "ernsthaft in Gefahr".

Für die Geheimdienstler eigentlich Grund genug, ihre Talente nicht an die Wall Street auszuleihen - sondern sich auf ihren Job zu konzentrieren.

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