Geheimdienste: Der Spionage-Master (2024)

Wer Agent werden will, kann das jetzt studieren. Es gibt einen neuen Studiengang. Er heißt MISS, Master of Intelligence and Security Studies, und ist einer der geheimsten Masterstudiengänge Deutschlands. Entstanden ist er aus einer Kooperation zwischen den Geheimdiensten, dem Kanzleramt und der Bundeswehr. Seit 1. Juli studiert der erste Jahrgang am Rande der hochgesicherten Zentrale des Bundesnachrichtendiensts in Berlin.

Die "Intelligence Community"

Es ist Mittwoch, die neuen Studierenden passieren die Sicherheitskontrollen. Heute werden sie in der BND-Zentrale hochoffiziell begrüßt. Mit Häppchen und Blasmusik. Davor geht es vorbei an Überwachungskameras und Security. Im Saal stehen Stuhlreihen mit Namensschildern: In der ersten Reihe sitzen der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, und der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun.

"Angesichts der weltweiten Herausforderungen braucht Deutschland mehr denn je Nachrichtendienste, die stark und die leistungsfähig sind", eröffnet Bruno Kahl die Veranstaltung. Herausforderungen, das wird in den folgenden Reden deutlich, seien islamistische Terroranschläge oder Cyberattacken. Der Studiengang sei aber auch eine Reaktion auf Fehler der Vergangenheit. Fehler wie den Umgang mit dem NSU – das erfährt man aber erst auf Nachfrage. So deutlich will das am Mittwoch offenbar keiner sagen. Auch künftige Spione sollen wohl nicht mit Erzählungen über rechte Terrornetzwerke begrüßt werden. Stattdessen heißt es, der Studiengang solle einen zentralen Beitrag zur "Professionalisierung unserer Nachrichtendienste" leisten.

Das Publikum applaudiert. In den vorderen Reihen, die Präsidentinnen und Präsidenten, die Studiengangsleiter und Koordinatoren, die Professoren, die schon da sind, und die Studierenden, die heute begrüßt werden: die 50 Angenommen des ersten MISS-Jahrgangs. Keine klassischen Studis mit Jutebeuteln und Macbook, sondern größtenteils uniformierte und aufrecht sitzende Soldaten und Soldatinnen.

Sie bilden also bald die deutsche Intelligence Community. Etwas, das es im angelsächsischen Raum schon lange gibt. Studiengangsleiter Uwe Borghoff versteht darunter eine Gruppe von Menschen, die behördenübergreifend denken und die gleichen Wertvorstellungen haben. Im Master sollen künftige Führungskräfte der verschiedenen Geheimdienste ausgebildet werden, aus dem Kreis der Absolventen eine solche Community entstehen.

Ein gutes Abi reicht nicht aus

Doch studieren kann den MISS nicht jeder, der einen guten Abi-Schnitt oder eine tolle Bewerbung geschrieben hat. Man muss Soldatin oder Geheimdienstler sein, das ist Mindestvoraussetzung. Gute Chancen hat zum Beispiel ein junger Offizier aus dem militärischen Nachrichtenwesen oder eine junge Frau, die schon lange beim BND tätig ist. Außerdem sollte man im Auswahlverfahren unter anderem Kommunikationsfähigkeit, Interesse an fremden Kulturen sowie Interesse an außen- und innenpolitischen Themen zeigen. Und rein kommt schließlich nur, wer die Ü3 übersteht. Die erweiterte Sicherheitsprüfung mit Sicherheitsermittlung. Die strengste Durchleuchtung von Personen, die in Deutschland durchgeführt und die dann angeordnet wird, wenn diese Personen Zugang zu streng geheimen Verschlusssachen haben werden.

Luisa Wegener betritt die Bühne im BND. Keine Uniform, sondern dunkle Jeans und grauer Blazer, die braunen Haare zu einem lockeren Zopf gebunden. Sie ist eine der 50 Aufgenommen und wurde ausgewählt, für diese an einer Podiumsdiskussion zum neuen Master zu sprechen. Die 29-Jährige hat schon beim BND studiert, mittlerweile arbeitet sie seit zehn Jahren für den Nachrichtendienst. Sie war als Agentin im Ausland und hat Analysen zum islamistischen Terrorismus geschrieben. Was sie sonst so gemacht hat, ist streng geheim.

Wegener ist eine der zehn Studierenden aus dem BND, die meisten kommen von der Bundeswehr. Man kann sie leicht erkennen, denn sie tragen Uniform. "Es ist eine gute Mischung an Studierenden. Die Soldaten, die aus München gekommen sind, haben eine tolle Fachexpertise: Es sind zum Beispiel Psychologen, aber auch Wirtschaftswissenschaftler dabei", sagt sie.

100 Seiten Masterarbeit und ein bisschen Spionage

Zwei Jahre Studium, 120 ECTS-Punkte, eine Masterarbeit mit 25.000 Worten. Ein ganz normaler Master – bis man sich die Fächer genauer anschaut. Die heißen "Methoden der Agentenarbeit", "Terrorismusbekämpfung" oder "Umgang mit Unsicherheit". Es geht um praktische Anwendungen der Spionage, darum, wie man mit Informanten umgeht, im Modul "Cyber Security" sollen Hacker, die bei den Geheimdiensten angestellt sind, den Studierenden zeigen, was in diesem Bereich möglich ist. Wegener freut sich auf die harten Fächer, in denen es um Terrorismusbekämpfung geht, "das ist natürlich cool", sagt sie.

Über einige Fächer wird nicht gesprochen. Ein bisschen geheim müsse das Studium schon sein. Die Studierenden werden Einblick in Verschlusssachen erhalten. Und auch mit Blick auf die Persönlichkeiten der Studierenden solle nicht alles öffentlich werden. Die werden schließlich später in Einsatzfeldern arbeiten, bei denen es besser ist, davor nicht groß in der Öffentlichkeit zu stehen.

Also doch ein bisschen 007? Nein. Der agiere nämlich immer relativ freihändig, was den Rechtsrahmen angeht, sagt Helge Braun, der Chef des Bundeskanzleramts in Berlin am Mittwoch. Der MISS solle rechtlich gut ausgebildete Mitarbeiter für die Nachrichtendienste hervorbringen, "die die Möglichkeiten, die ihnen gegeben sind, ausschöpfen, aber auf keinen Fall darüber hinausgehen".

Lacher im Publikum. Deutschland wird jetzt noch sicherer. Das betonen zumindest alle Redner. Man wolle im zweiten Jahrgang noch mehr Spione ausbilden. Die Chancen auf dem Agenten-Arbeitsmarkt seien hoch.

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