Erkrankungen und Verletzungen vorbeugen, bevor sie entstehen – das ist das Ziel von Prophylaxen in der Pflege. Dabei liegt eine besondere Verantwortung bei den pflegenden Personen, weil die Patienten in vielen Bereichen auf Unterstützung angewiesen sind.
Nicht alle Prophylaxen sind für jeden Pflegebedürftigen sinnvoll. Das hängt immer von der individuellen Gesundheit und Lebenssituation ab. Welche Prophylaxen in der Pflege es gibt und wie man sie anwendet, erklären wir in diesem Artikel.
Das Wichtigste in Kürze
- Prophylaxen in der Pflege sollen die Risiken für Krankheiten, Komplikationen und Unfälle vermindern.
- Art und Dauer der Prophylaxen ist abhängig von der individuellen Situation des Pflegebedürftigen.
- Viele Maßnahmen werden in der Regel schon in der Grundpflege angewendet.
- Der Patient muss mit der Maßnahme einverstanden sein.
- Bewegung spielt bei den meisten Prophylaxen eine zentrale Rolle.
Was ist die Prophylaxe?
In der Pflege bezeichnet man diejenigen Maßnahmen als Prophylaxe, die Krankheiten, Komplikationen, Unfälle und ihre Folgen verhindern sollen. Sie können entweder vom Pflegebedürftigen selbst als auch von einer pflegenden Person durchgeführt werden.
Gut zu wissen!
Was ist der Unterschied zwischen Prophylaxe und Prävention? Den Begriff Prophylaxe verwendet man ausschließlich im medizinischen oder pflegerischen Umfeld. Prävention oder Vorsorge finden auch in anderen Lebensbereichen Verwendung. Beispielsweise für präventive Maßnahmen im Straßenverkehr (Gurtpflicht, Geschwindigkeitsbegrenzung) oder finanzielle Vorsorge.
Welche Prophylaxen gibt es in der Pflege?
In der ambulanten Pflege sind folgende Prophylaxen besonders wichtig:
Pneumonieprophylaxe
Bei einer Pneumonie handelt es sich um eine Entzündung der Lunge, die sowohl akut als auch chronisch auftreten kann. Die Ursache sind häufig Infekte, doch auch Allergien, Vorerkrankungen oder Beatmungen können Pneumonien auslösen. Durch die Pneumonieprophylaxe wirkt man dem Entstehen der Lungenentzündung entgegen. Als Maßnahmen bieten sich an: Strenge Einhaltung von Hygienemaßnahmen, Medikamente zum Sekretabtransport, Mobilisation und die Vermeidung von Aspiration.
Dekubitusprophylaxe
Als Dekubitus bezeichnet man eine Schädigung der Haut. Sie entsteht durch Druck und/oder Scherkraft. Umgangssprachlich nennt man einen Dekubitus auch „Wundliegen“. Die Hautschädigung zeigt sich vor allem an Körperstellen, an denen Knochen besonders hervortreten und wenig Fett und Gewebe vorhanden ist, beispielsweise am Hinterkopf oder am Kreuzbein. Hohes Alter, lange Liegezeiten, Fieber und eine verminderte sensorische Wahrnehmung erhöhen das Risiko besonders. Zur Dekubitusprophylaxe haben sich Maßnahmen bewährt, die den Druck verteilen, reduzieren oder sogar vermeiden.
Hilfsmittel gegen Dekubitus
Thromboseprophylaxe
Thrombosen entstehen, wenn sich durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) ein Blutgefäß verengt oder verschließt. Im schlimmsten Fall können dadurch lebensgefährliche Erkrankungen wie ein Herzinfarkt, eine Lungenembolie oder ein Schlaganfall entstehen. Besonders gefährdet sind bettlägerige Patienten, vor allem nach operativen Eingriffen oder schweren Infekten. Zur Thromboseprophylaxe gehören sowohl Mobilisation, Kompression als auch eine medikamentöse Behandlung.
Kontrakturprophylaxe
Eine Kontraktur ist eine Funktions- und Bewegungseinschränkung der Gelenke. Sie entsteht durch die Verkürzung oder Degenerierung von Sehnen, Bändern und Muskeln. Durch Kontrakturen können sich die Patienten oft nur noch sehr eingeschränkt bewegen, was weitere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Bei der Kontrakturprophylaxe werden vor allem zwei Maßnahmen umgesetzt: Mobilitätsförderung und Positionsunterstützung (Lagerung).
Soor- und Parotitisprophylaxe
Bei Soor (auch Soormykose oder Candidose) befällt ein Hefepilz die Mundschleimhaut und kann teils starke Schmerzen verursachen. Die Parotitis ist eine Entzündung der Ohrspeicheldrüse, die sich durch Beschwerden vor und hinter dem Ohr sowie im Kiefer bemerkbar macht. Beide Erkrankungen haben häufig eine verminderte Nahrungsaufnahme zur Folge. Um diesen und anderen Krankheiten im Mund- und Rachenraum entgegenzuwirken, dreht sich bei der Soor- und Parotitisprophylaxe alles um eine ausgiebige Mund- und Zahnpflege.
Sturzprophylaxe
Stürze haben bei älteren oder vorerkrankten Menschen oft unangenehme Langzeitfolgen, da die Knochen häufig nicht mehr so stabil sind. Die Sturzprophylaxe ist daher für alle Pflegebedürftigen wichtig. Es gibt eine Reihe von prophylaktischen Maßnahmen, um Stürze zu verhindern. Dazu zählen spezielles körperliches Training, Anpassung der häuslichen Umgebung, Versorgung mit Hilfsmitteln (u. a. Duschstuhl oder Aufstehhilfe ) und Verwendung von Gehhilfen.
Gut zu wissen!
Rund 40 Prozent der über 80-Jährigen stürzen mindestens einmal pro Jahr. Damit ist es die häufigste Unfall- und Todesursache im Haushalt. Eine gut durchdachte Sturzprophylaxe könnte einige dieser Fälle verhindern.
Obstipationsprophylaxe
Eine Obstipation ist eine Verstopfung des Darms. Der Stuhlgang erfolgt dann nur noch alle drei bis vier Tage, er ist hart, trocken und knotig. Das kann sehr unangenehme Beschwerden wie Bauchschmerzen mit sich bringen. Da viele Pflegebedürftige zumindest zeitweise unter dem Problem leiden, sollten die entsprechende Obstipationsprophylaxe frühzeitig und regelmäßig erfolgen. Große Bedeutung kommt dabei der Ernährung, der Flüssigkeitszufuhr und der Bewegung zu.
Intertrigoprophylaxe
Bei der Intertrigo handelt es sich um eine Hautentzündung, die meist dadurch entsteht, dass Hautfalten aneinanderreiben. Übergewicht, Schwitzen, lange Liegezeiten und mangelnde Hygiene begünstigen die Erkrankung. Das Ziel der Intertrigoprophylaxe ist es, das Entstehen oder Fortschreiten der Hautentzündung zu vermeiden oder zu stoppen. Dafür benötigt der Patient oft Unterstützung bei der Hautpflege oder der Auswahl geeigneter Kleidung.
Dehydratationsprophylaxe
Eine Dehydration, also ein Flüssigkeitsmangel, betrifft viele Pflegebedürftige. Für die pflegenden Personen ist die Prophylaxe häufig gar nicht so einfach, weil vor allem ältere Menschen oft kein ausreichendes Durstgefühl mehr entwickeln. Hier hilft vor allem das regelmäßige Anbieten von Getränken, das Kontrollieren der aufgenommenen Flüssigkeitsmenge, Einsatz von Hilfsmitteln wie Schnabeltassen und der Ausschluss von Mund,- Zahn- oder Schluckbeschwerden.
Deprivations- und Habituationsprophylaxe
Deprivation ist die Entbehrung von körperlicher und emotionaler Zuwendung und/oder Sinnesreizen. Vor allem bettlägerige Patienten leiden darunter, wenn sie dauerhaft nur noch die vier Wände ihres Zimmers sehen und kaum mehr Ansprache oder Sinneseindrücke erleben. Die mögliche Folge darauf wird als Habituation beschrieben, also die Abnahme motorischer und geistiger Reaktionen. Als Prophylaxe eignen sich alle anregenden Maßnahmen, sei es körperlicher oder psychischer Art. Also soziale Kontakte, Berührungen, Sinneseindrücke wie bunte Einrichtungsgegenstände, Teilnahme an Gesprächskreisen, Feiern oder anderen Aktivitäten.
Aspirationsprophylaxe
Von einer Aspiration spricht man, wenn Nahrungsbestandteile nicht in die Speiseröhre, sondern in die Luftröhre geraten. Dies kann zu Luftnot und im schlimmsten Fall zum Ersticken führen. Wenn der Fremdkörper in die Lunge gelangt, kann eine Lungenentzündung die Folge sein. Prophylaktische Maßnahmen sind beispielsweise das Zerkleinern oder Verflüssigen von Nahrung, wenn Kau- oder Schluckbeschwerden bestehen.
Infektionsprophylaxe
Gelangen Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten in den Körper, kann es zu einer Infektion kommen. Bei Pflegebedürftigen bleiben Infektionen manchmal längere Zeit unentdeckt, weil die Patienten sich nicht selbst äußern oder eine veränderte Schmerz- und Körperwahrnehmung haben. Die Infektionsprophylaxe umfasst alle Hygienemaßnahmen, die Infektionen verhindern sollen, beispielsweise Desinfektion der Hände, von Flächen oder oft genutzten Gegenständen.
Malnutritionsprophylaxe
Eine ausgewogene, regelmäßige und ausreichende Nahrungsaufnahme ist die Grundvoraussetzung, damit unser Körper gut funktioniert. Bei Pflegebedürftigen muss besonders gut darauf geachtet werden, damit keine Mangelzustände und daraus resultierende Folgen auftreten. Dazu kommt, dass Patienten häufig nicht mehr in der Lage sind bestimmte Lebensmittel aufzunehmen oder richtig zu verwerten. Dann müssen geeignete Alternativen gefunden werden, etwa Flüssignahrung oder Infusionen.
Gut zu wissen!
Um relativ schnell und einfach den Ernährungszustand eines Pflegebedürftigen einzuschätzen, eignet sich beispielsweise der Fragebogen „Mini Nutritional Assessment“. Auf ihm beantwortet der Pflegende einige Fragen zum Gesundheitszustand, der Lebenssituation und der Ernährung des Pflegebedürftigen. Am Schluss zählt er die erreichten Punkte zusammen und erhält eine Risikoeinschätzung.
Prophylaxen in der Pflege – Anwendung & Dauer
Anwendung der Prophylaxen
Die Herausforderung für die pflegende Person ist es, die geeigneten Prophylaxen zu finden und richtig anzuwenden. Viele Maßnahmen können relativ unkompliziert in die Grundpflege integriert werden. Beispielsweise eine nette Unterhaltung während man das Essen serviert und schneidet oder eine kleine Bewegungseinheit im Sessel, in der Zeit, in der das Zimmer gereinigt und das Bett frisch bezogen wird.
Dauer der Prophylaxen
Wie lange die Maßnahmen im Rahmen einer Prophylaxe angewendet werden sollten, ist abhängig von der individuellen Lebens- und Gesundheitssituation des Pflegebedürftigen. Einige Prophylaxen müssen mehrmals täglich angewendet werden, unter anderem die Dehydratationsprophylaxe oder die Deprivationsprophylaxe (Langzeitprophylaxen). Andere nur für eine bestimmte Dauer, beispielsweise die Infektionsprophylaxe bei einer akuten Erkrankung (Kurzzeitprophylaxe).
In dieser Tabelle sind die Prophylaxen in der Pflege nach dem Zeitpunkt ihrer Anwendung eingeteilt: