Glucocorticoid im Rampenlicht: Wissenswertes zu Dexamethason (2024)

Glucocorticoid im Rampenlicht

Apotheker kennen Dexamethason natürlich seit Langem. In Anbetracht des Medienhypes um die positiven Studienergebnisse mit dem Glucocorticoid in einer Covid-19-Studie hier ein paar Fakten zu dem Wirkstoff.

Glucocorticoid im Rampenlicht: Wissenswertes zu Dexamethason (1)

In einer Pressemeldung berichtet die Universität Oxford von einem Überlebensvorteil, wenn künstlich beatmete oder zumindest auf Sauerstoffzufuhr angewiesene Patienten mit schwerem Covid-19-Verlauf zusätzlich mit Dexamethason behandelt werden.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Fast alle großen Medien berichten darüber. Die WHO spricht schon von einem »lebensrettenden Durchbruch«. Die Zahlen sind in der Tat positiv. Aber vorerst ist es ratsam, den Ball etwas flacher zu halten, bis alle Daten ausgewertet sind. Dennoch werden mit ziemlicher Sicherheit auch in der Apotheke nun verstärkt Fragen zu Dexamethason aufkommen.

Was ist Dexamethason?

Dexamethason ist ein künstliches Glucocorticoid, das seit den 1960er-Jahren weltweit zum Einsatz kommt. Es besitzt eine etwa 7,5-mal stärkere glucocorticoide Wirkung als Prednisolon und Prednison, im Vergleich zu Hydrocortison ist es 30-mal stärker wirksam, mineralcorticoide Wirkungen fehlen.

Wie wirkt Dexamethason?

Wie andere Glucocorticoide entfaltet Dexamethason seine biologische Wirkung durch Aktivierung der Transkription von corticoidsensitiven Genen. Die entzündungshemmenden, immunsuppressiven und antiproliferativen Effekte werden unter anderem durch verringerte Bildung, Freisetzung und Aktivität von Entzündungsmediatoren und durch Inhibierung der spezifischen Funktionen und der Migration von Entzündungszellen hervorgerufen. Zusätzlich wird die Wirkung sensibilisierter T-Lymphozyten und Makrophagen auf Targetzellen durch Corticosteroide möglicherweise verhindert.

Die Wirksamkeit bei Covid-19 richtet sich gegen den gefährlichen Zytokin-Sturm, also die immunsuppressive Wirkung wird hier ausgenutzt. Gegen das Virus selbst wirkt Dexamethason nicht. Die Einnahme bei mildem Verlauf hat dementsprechend auch keinen Vorteil gebracht. Und – hoffentlich liest auch Donald Trump mit: Die Prophylaxe mit Dexamethason ist eher schädlich als nützlich. Zu bedenken ist, dass Dexamethason die Immunantwort gegen das Virus bremst und so dazu führen könnte, dass das Virus langsamer eliminiert wird. In einer S1-Empfehlung zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit Covid-19 wird momentan ausdrücklich von einer routinemäßigen Gabe von Steroiden abgeraten.

Was sind die Einsatzgebiete von Dexamethason?

Diese sind breit gefächert. Beispielsweise wird es systemisch beim schweren akuten Asthmaanfall eingesetzt, beim Hirnödem, beim anaphylaktischen Schock, als orale Anfangsbehandlung von schweren Hauterkrankungen und Autoimmunerkrankungen, bei aktiver rheumatoider Arthritis, in der Palliativtherapie maligner Tumoren sowie in der Prophylaxe und Therapie von postoperativem oder Zytostatika-induziertem Erbrechen. Als Dermatikum wird es auch lokal eingesetzt und in der Augenheilkunde bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen. Bei Covid-19 ist es bisher nicht zugelassen.

Haben die Patienten in der Covid-19-Studie eine besonders hohe Dosis des Glucocorticoids erhalten?

Nein, in der Studie ist sogar von »low dose« die Rede. Die Patienten erhielten über zehn Tag 6 mg Wirkstoff pro Tag – entweder oral oder intravenös verabreicht. Das ist nicht extrem viel. Beispielsweise wird dazu geraten, bei akuten Hauterkrankungen – je nach Art und Ausmaß der Erkrankung – mit Tagesdosen von 8 bis 40 mg zu Beginn zu arbeiten. Für die Palliativtherapie maligner Tumoren sind es initial 8 bis 16 mg pro Tag. Bei länger dauernder Therapie sind 4 bis 12 mg pro Tag empfohlen.

Was ist bei der systemischen Therapie mit Dexamethason zu beachten?

Einiges. Bei einer Kurzzeittherapie, wie in der Covid-19-Studie, sollte zum Beispiel im Hinterkopf bleiben, dass der Insulinbedarf oder der Bedarf an anderen Antidiabetika bei Diabetikern erhöht sein kann. Eine Entgleisung des Blutzuckers ist bei schwerem Covid-19-Verlauf unbedingt zu vermeiden. Der Blutdruck kann steigen, vor allem bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist dabei auf eine mögliche Bradykardie zu achten.

Gibt es Wechselwirkungen?

Ja. Auch hier ist einiges bekannt. Bei gleichzeitiger Gabe von Aluminium- oder Magnesiumhydroxid kann es zu einer Reduktion der Resorption von Glucocorticoiden mit verminderter Wirksamkeit kommen. CYP3A4-Induktoren können die Wirksamkeit von Dexamethason vermindern. CYP3A4-Hemmer machen das Gegenteil. Estrogene können die Halbwertszeit der Glucocorticoiden verlängern und ihre Wirkung verstärken. In Betracht zu ziehen ist auch die Interaktion mit NSAR. Die Gefahr von Magen-Darm-Ulzerationen und -Blutungen wird erhöht. Im Zusammenhang mit Covid-19 unter Umständen wichtig: Zusammen mit Chloroquin und Hydroxychloroquin besteht laut Fachinformation ein erhöhtes Risiko des Auftretens von Myopathien und Kardiomyopathien.

Was ist mit dem »F«?

Dexamethason ist 9-Fluor-16α-methylprednisolon. Viele Medien suchen zur Berichterstattung gerade in Datenbanken nach einem Dexamethason-Bild. So mancher Anbieter nimmt es hier nicht so genau und jubelt dem Laien ein nicht fluoriertes Derivat unter. Schauen Sie mal nach, ob Sie das »F« immer finden, denn als Apotheker kennt man Dexamethason schließlich aus dem Effeff.

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